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03.09.2018

PICCOR PICAM PICCOX Anlegerskandal – PICAM-Unternehmensverbund

Die Rechtsanwälte Doerr Kühn Plück + Partner verklagen den Wirtschaftsprüfer, der als Einzahlungstreuhänder im Fokus des Anlageskandals steht.

 

Insgesamt rund 2.300 vermögende Anleger haben im Zusammenhang mit Vermögensverwaltungsverträgen, die von dem PICAM-Unternehmensverbund angeboten wurden, rund 320.000.000,00 € verloren. Bei dem PICAM-Unternehmensverbund handelt es sich um ein schwer durchschaubares Unternehmensgeflecht, das bundesweit und in der Schweiz vermögende Anleger berät und zum Abschluss von riskanten Verträgen gebracht hat. Die Mindesteinlage pro Vermögensverwaltungsvertrag hat sich dabei auf 50.000,00 € belaufen.

Die Staatsanwaltschaft Berlin führt derzeit ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen acht Beschuldigte der Unternehmensgruppe wegen Bandenbetruges. Die Beschuldigten werden verdächtigt, als Mitglieder einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrugstaten verbunden haben, gewerbsmäßig Anlagebetrugstaten gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5 StGB begangen zu haben. Ihnen wird ferner vorgeworfen, unerlaubt Bankgeschäfte betrieben zu haben.

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat bislang zwei Tatkomplexe identifiziert:

  1. Tatkomplex: „PICCOR-System und Fonds“
  2. Tatkomplex: „PICCOX Wertpapiere“

 

Zum 1. Tatkomplex: „PICCOR-System und Fonds“: Spätestens im Jahr 2009 kamen die Beschuldigten Thomas Entzeroth, Manfred Eschenbach, Pascal Savelsbergh und Peter Züllig überein, ein nicht genehmigtes Anlagemodell, welches sie „PICCOR“ nannten, als „Ponzi-System“ mit Anlagegeldern zu betreiben. Die Beschuldigten behaupteten den Anlegern gegenüber, dass sie die von ihnen in Vermögensverwaltungsverträgen überantworteten Gelder gewinnbringend in hochriskante Anlagegeschäfte investieren würden, um für die Anleger Renditen von bis zu 20 % zu erwirtschaften. Die Anleger schlossen einen Vermögensverwaltungsvertrag mit der durch die Beschuldigten Entzeroth, Eschenbach und Züllig kontrollierten PICCOR AG in der Schweiz, wodurch das von ihnen überantwortete Kapital in Höhe von mindestens 50.000,00 € in „Börsengeschäfte, Börsentermingeschäfte sowie Derivate“ investiert werden sollte. Neben der riskanten Option wurde Anlegern auch eine 100 %-ige Absicherung des Kapitals über Zerobonds angeboten. Die Beschuldigten warben in Prospekten damit, dass der von ihnen geführte PICAM-Unternehmensverbund, einen „Schweizer Maßstab im Vermögensmanagement“ anlegen würde. In Grafiken ließen die Beschuldigten über von ihnen geschulte Vermittler den Anlegern die enorme Rendite des PICCOR-Systems vorspiegeln. Für diese angeblichen Gewinne bürgte unter anderem der Beschuldigte Eschenbach als Wirtschaftsprüfer mit seinem Namen gegenüber den Anlegern und behauptete, er habe sich von den Renditen persönlich überzeugen können.

Die Anleger zahlten ihre Gelder auf ein Konto des Beschuldigten Eschenbach der von den Beschuldigten Entzeroth und Züllig geleiteten PICCOR-AG bei der Berliner Volksbank ein. Nennenswerte Investitionen, die realistischerweise eine Erzielung der versprochenen Gewinne ermöglicht hätten, führten die Beschuldigten in der Folge nicht durch. Tatsächlich wurden die Anlegergelder über diverse Konten praktisch im Kreis transferiert, wobei sich die Beschuldigten regelmäßig Agios, Provisionen und sonstige Gebühren auszahlten bzw. das Geld an ihnen nahestehende Firmen auch ins Ausland leiteten. Um die Anleger in Sicherheit zu wiegen, erhielten diese quartalsweise Mitteilungen über angebliche Renditen des „PICAM-Unternehmensverbundes“, die auf gefälschten Reportings des international anerkannten Brokers InteractiveBrokers basierten.

Zum 2. Tatkomplex: Als die VDH in Luxemburg anlässlich innerbetrieblicher Prüfungen auf die Konstruktionen des Beschuldigten Blohm aufmerksam wurde und in der Folge die Fonds „eingefroren“ wurden, entstanden den Beschuldigten Liquiditätsprobleme. Als alle Versuche scheiterten, die Anlegergelder in den Fondsanteilen wieder ausgekehrt zu bekommen und ihr System drohte zusammenzubrechen, beschlossen die Beschuldigten Blohm, Entzeroth, Eschenbach nun gemeinsam mit dem Beschuldigten Savelsbergh und Richert den Anlegern der PICCOR AG ein neues, von ihnen erdachtes Wertpapier zu verkaufen, welches sie „PICCOX“ nannten. Es handelte sich wiederum um eine Inhaberschuldverschreibung, für die durch den Beschuldigten Blohm eine Verbriefungsgesellschaft namens PICCOX Securitisation SA in Luxemburg gegründet wurde. Laut dem Prospekt ist die PICCOX Securitisation SA eine Gesellschaft nach Luxemburger Recht und der Median Gruppe angehörig. Dabei soll die Muttergesellschaft mit 100 % die Median Services (Suisse) GmbH sein. Somit hatte der Beschuldigte Blohm auch über die PICCOX Securitisation SA die volle Kontrolle.

Bei den „PICCOX-Zertifikaten (ISIN DE000A19CXZ0) handelte es sich um Schuldverschreibungen der PICCOX Securitisation SA, deren Wertentwicklung sich laut Prospekt auf eine hypothetische Beteiligung an der SOPAFI SFG 2016-200 SA beziehen soll. Diese Referenzgesellschaft beabsichtigt laut Prospekt die Investition in hochspekulative Hebelinstrumente (z.B. Futures). Für das Trading sollten Handelssignale genutzt und Berater beauftragt werden. Das PICCOX-Zertifikat war nicht börsennotiert. Die Beschuldigten veröffentlichten einen täglichen Kurs auf der Internetseite www.piccox.com.

Zwischen Anfang 2016 und Mitte 2017 wurden die Anleger von PICCOR zunächst vertröstet. Mit Schreiben vom 10.05.2017 teilten die Beschuldigten mit, dass die PICCOR die Dienstleistung habe einstellen müssen. Schuld seien Standards und die Regeln der europäischen Finanzmarktaufsicht. Sie hätten nun einen neuen Partner: die VARIAN. Im Juni 2017 erhielten die Anleger sodann ein Schreiben unter dem Briefkopf der VARIAN defensive capital GmbH und der VARIAN DC Services GmbH von den Beschuldigten Entzeroth und Savelsbergh, die mitteilten, dass das Neuprodukt nun erworben werden könne und sämtliche behördlichen Genehmigungen vorlägen. Tatsächlich verfügte die VARIAN defensive capital GmbH des Beschuldigten Florian Götz in Pöttmes über die Erlaubnis der BaFin nach § 32 KWG. Das Backoffice und der gesamte Vertrieb wurden durch die vom Beschuldigten Savelsbergh und Entzeroth geleitete VARIAN DC Services GmbH in Berlin durchgeführt. Um den Anschein eines neuen Partners zu vervollständigen, gründeten die Beschuldigten Eschenbach und Entzeroth noch die VARIAN AG in Liechtenstein. Altanleger konnte ihre Anlagen umschreiben.

Neuanleger wurden eingeworben. Diese zahlten insgesamt 21 Mio. € direkt an die PICCOX, welche das Geld der SOPARFI SFG 2016-200 SA zuleitete. Diese Gesellschaft leitete das Geld wieder auf das Treuhandkonto der PICCOR AG bei der Berliner Volksbank. Damit wurden Anleger, die aussteigen wollten, ausgezahlt. Investitionen fanden hingegen nicht statt. Auch die Erlöse aus den Verläufen der Zero-Bonds flossen einfach an die PICCOX. In der Zwischenzeit profitierten die Beschuldigten in Höhe von Provisionen sowie Auszahlungen an sich selbst. Noch im August 2017 teilten sie Anlegern mit, dass ihr Kapital sicher sei.

In der Zeit zwischen 2007 und 2017 gingen Anlegergelder in Höhe von 321.627.356,51 € auf dem Konto der PICCOR AG ein. Ende 2017 informierten die Beschuldigten Entzeroth, Savelsbergh und Richert die Vermittler ihrer Anleger in Berlin, dass Gelder in Höhe von bis zu 67.000.000,00 € nicht ausbezahlt werden könnten. Sie behaupteten wahrheitswidrig ein externer Vermögensverwalter auf Gibraltar habe die Gelder veruntreut. Auch die Gelder der Neuanleger im PICCOR-System wurden nicht mehr ausgezahlt.

Glück im Unglück!

Allerdings ist es der Staatsanwalt Berlin gelungen, Vermögenswerte von mehr als 80.000.000,00 € vorläufig sicherzustellen. Die gegen den Wirtschaftsprüfer und Einzahlungstreuhänder gerichtete Klage wird von der Rechtsanwaltskanzlei Doerr Kühn Plück + Partner darauf gestützt, dass dem Treuhänder die nach den einschlägigen Gesetzen erforderliche Erlaubnis durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nicht erteilt worden war. Aus diesem Grund steht den Klägern ein Schadensersatzanspruch zu. Sobald den Klägern ein zivilrechtliches Endurteil vorliegt, gilt der geltend gemachte Anspruch in dem Strafverfahren nach dem neuen Recht zur Vermögensabschöpfung als festgestellt.

Falls Sie Fragen haben, nehmen Sie mit uns Kontakt auf.

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